Nomaden als menschheitsgeschichtliche Alternative
„Echter Hirtennomadismus, bei dem die Herden ständig unterwegs waren und der keinen Ackerbau kannte, war keine Etappe auf dem Weg zur Zivilisation. Er entwickelte sich als eine Alternative zu ihr und stand, vor allem in Grenzgebieten, in direkter Konkurrenz zu ihr. Die Kunst des Reitens war ein Mittel der Mobilität und der ausschlaggebende Faktor dafür, dass einige Gruppen den Ackerbau aufgeben und ständig unterwegs sein konnten. Der Hirte hatte viel mit dem Jäger gemein – beide glaubten an mystische Bande zwischen Tier und Mensch. Doch die Zivilisation machte sie mit dem Gedanken der Einheit des Staates vertraut, und die Haltung und das Schlachten domestizierter Tiere ließ sie die Methoden menschlicher Zwangsherrschaft und Ausrottung entdecken.“
Bruce Chatwin, Brief an Tom Maschler (über sein Buchprojekt Die nomadische Alternative), in: Der Traum des Ruhelosen, Hanser 1998, 103f.